Die Ketzerbraut by Lorentz Iny
Autor:Lorentz, Iny [Lorentz, Iny]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2010-12-16T23:00:00+00:00
3.
D
er Mond stand bereits hoch am Himmel, als Ernst das kleine Haus betrat, das Jakob Fugger ihm und Veva zur Verfügung gestellt hatte. Trotz der späten Stunde traf er seine Frau in der Küche an. Sie hatte eine Kerze aufgestellt, las in deren Schein und spann Flachs.
Als er hereinkam, hob sie den Kopf. »Ich wusste nicht, wann du nach Hause kommst. Daher habe ich bereits zu Abend gegessen. Aber ich habe dir etwas aufgehoben. Ich werde es gleich aufwärmen.«
»Ich habe vorhin in Fuggers Haus gegessen und daher keinen Hunger mehr.«
»Dann gibt es den Brei zum Frühstück«, sagte sie ohne Bedauern und trug den Topf in die Speisekammer.
»Nicht, dass die Mäuse darüber herfallen«, sagte Ernst, als sie zurückkehrte.
»Ich habe eine Steinplatte auf den Topf gelegt. Die können selbst Ratten nicht wegschieben.«
»Haben wir etwa Ratten im Haus?«
Ernst klang so fassungslos, dass Veva lachen musste. »Natürlich nicht! In anderen Teilen der Stadt gibt es häufig welche. Nis verdient sich öfter ein paar Kreuzer, indem er sie jagt – solange er keine Würste klaut, heißt das.«
Ernst sah Veva verwirrt an. »Wer ist Nis?«
»Der Junge, den du zum Bierholen geschickt hast. Er hat sich quasi selbst als Faktotum bei uns eingestellt.«
»So ein Bengel! Taugt er wenigstens was?«
»Er ist geschickt und fleißig. Außerdem kennt er sich hier in der Stadt aus und konnte mir auf Anhieb einen Buchverleger nennen, bei dem ich dieses Buch erstanden habe!« Veva hielt es in Ernsts Richtung, und dieser sah, dass es sich um fromme Heiligenlegenden handelte.
Das war nicht gerade die Literatur, die er bevorzugte. Daher lächelte er überlegen. »Nun, wenn es dir Freude macht. Aber wie hast du den Tag sonst verbracht?«
»Ich habe deine Sachen, die aus Fuggers Haus hierhergebracht wurden, eingeräumt und weiter an einem Kleid für mich genäht. Dann war ich auf dem Markt, habe das Buch gekauft und Nis einige weitere Besorgungen machen lassen. Ansonsten bin ich hier gesessen, habe Flachs gesponnen, damit meine Hände beschäftigt sind, und darauf gewartet, dass die Zeit vergeht. Bei der Heiligen Jungfrau, es gibt hier kaum etwas zu tun! Die Wohnung ist winzig, und ich muss weder meinem Vater helfen, Briefe zu schreiben, noch Gesinde überwachen. Ich hoffe, das ändert sich bald, sonst …« Veva brach mitten im Satz ab und machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Was sonst?«, bohrte Ernst nach.
»Sonst werde ich sehr viel Geld zum Tuchhändler und zum Buchverleger tragen!« Diese Ausrede fiel Veva gerade noch ein, denn ursprünglich hatte ihr eine drastischere Bemerkung auf der Zunge gelegen. Sie seufzte, füllte einen Becher mit Bier und stellte ihn Ernst hin. »Hier, du wirst gewiss Durst haben!«
»Das kannst du laut sagen! Ich habe unterwegs noch einen Bekannten besucht und wurde von ihm zu ein paar Schoppen Wein eingeladen. Trotzdem ist meine Kehle wie ausgedörrt!« Ernst ergriff dankbar den Becher und trank das Bier in einem Zug aus. »Das hat gutgetan.«
Da er Veva nicht ansah, entging ihm der verächtliche Ausdruck, der über ihr Gesicht huschte. Er hat sich nicht geändert, dachte sie, sondern ist noch der gleiche Luftikus wie in jenen Jahren, in denen er mit meinem Bruder durch die Schenken gezogen ist.
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